Faial
Nach vier Tagen heißt es nun wieder Abschied
nehmen. Die Sonne scheint warm, nur eine
laue Brise weht. Sogar die Wassertemperatur dürfte heute mehr als 22 Grad
betragen.
Dementsprechend ruhig verläuft auch der kurze
Flug auf die Insel Faial.
Sie gehört mit ihren 173 km2 zu der
Zentralgruppe und hat etwa 16.000 Einwohner. Bekannt ist die Insel vor allem
bei Seglern, die den großen Jachthafen der Hauptstadt Horta gerne ansteuern und
so ein wenig internationales Flair verbreiten. Trotzdem verläuft das Leben auch
hier in geruhsamen Bahnen. Man vermutet kaum, dass Ende des 19. Jahrhunderts Faial
ein zentraler Mittelpunkt des Weltgeschehens war, denn hier verbanden die ersten
Unterseetelegraphenkabel Europa und Amerika.
Horta
Auf dem Weg zur Inselhauptstadt durchfahren
wir eine liebliche, hügelige Landschaft mit schachbrettartigen Feldern und
Wiesen. Durchbrochen wird diese grüne Oase nur durch Tupfer von blauen und
rosafarbenen Hortensienhecken, die von unserem Sohn liebevoll
"Hortenschen" genannt werden.
Die Stadt Horta befindet sich im Südosten der
Insel und wird von zwei Buchten gesäumt, in deren Mitte ein kleiner
Vulkankrater liegt.
Wir sind überrascht welch reges Treiben hier herrscht und
ergattern gerade noch einen Parkplatz. Anschließend starten wir unsere
Stadterkundung beim berühmten Jachthafen. Angeblich legen hier über 1.200 Boote
pro Jahr an. Ein besonderes Fotomotiv bieten die Hafenmauern, die mit zahllosen
bunten Malereien geschmückt sind. Jeder Segler -abergläubisch oder nicht-
hinterlässt hier nämlich sein persönliches Kunstwerk, um Schutz und Glück für
die Weiterreise zu erhalten.
Hinter der Mole beginnt das Stadtzentrum mit
seinen eleganten, weiß gekalkten Gebäuden. Viele der liebevoll restaurierten
Herrenhäuser stammen aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Bekannt ist jedoch vor
allem das Cafe Peter Sport, eine urige, rustikale Kultkneipe für Seebären, Gestrandete
und Schaulustige.
Ponta dos Capelinhos
Wir folgen weiter der inselumrundenden
Hauptstraße Richtung Westen. Nach mehreren Fotostopps, beispielsweise bei den
Lavabögen und Grotten in der Bucht von Feteiras, erreichen wir schließlich das
Gebiet von Capelinhos.
Hier erwartet uns -beinahe übergangslos - eine karge
Mondlandschaft. Plötzlich dringt kein einziger Grashalm mehr durch die
Aschewüste, die 1957/58 durch einen Vulkanausbruch entstand. Die Eruption
begann seinerzeit auf offener See, mehr als 30 Mio. Tonnen Asche und Lava wurden
in die Luft geschleudert. Zahlreiche Häuser und auch der nahe gelegene
Leuchtturm wurden verschüttet und zerstört. Durch diese gewaltige
Naturkatastrophe verband sich die Vulkaninsel schließlich mit dem Festland,
sodass Faial heute um 2,4 km2 größer geworden ist.
Unter dem alten Leuchtturm wurde vor einigen
Jahren ein sehr sehenswertes, modernes Museum eröffnet, welches speziell über
den Ausbruch, aber auch über die Entstehung und Geologie der Azoren informiert.
Inselinneres
Im krassen Gegensatz dazu steht das liebliche
Inselinnere, welches wir bei einer Wanderung am nächsten Tag erkunden.
Der Pfad folgt einem alten Wasserkanal
("Levada") durch dichten, urwüchsigen Wald.
Wir passieren mehrere
Bäche und Lichtungen und gelangen schließlich zu einer kleinen Brücke, die eine
tiefe Schlucht überspannt.
Sichtlich unbeeindruckt von diesem abenteuerlichen
Landstrich weiden in der Nähe ein paar Kühe, die uns neugierig beäugen. Denn
wie fast überall auf den Azoren sind wir auch hier wieder alleine unterwegs-
also wahrscheinlich eine willkommene Abwechslung für die Rinderherde.
Die Levada auf Faial ist einzigartig auf den
Azoren. Dieser Wasserkanal aus 1964 war einst 9,5 Kilometer lang und speiste
ein Wasserkraftwerk. 1998 wurden große Teile der Anlage durch ein Erdbeben
zerstört. Laut unserem Zimmervermieter zählt der fast ebene Levadaweg in
heutiger Zeit zu den schönsten Wanderwegen der Insel.
Caldeira
Ebenfalls im Landesinneren befindet sich ein
weiteres Überbleibsel der früheren Naturgewalten - die riesige Caldeira. Ihr Durchmesser
beträgt über 1,5 Kilometer, sie ist umgeben von 400 Meter hohen Felswänden. Normalerweise ist es hier oben auf über 1000
Meter Seehöhe neblig und bewölkt.
Glücklicherweise erwischen wir jedoch eine
bessere Wetterlage und können das Naturschutzgebiet mit seiner reichen Flora in
voller Pracht bestaunen. Doch schon bald ziehen wieder Nebelschleier auf und
die Sicht reicht gerade bis zurück zum Parkplatz.
Botanischer Garten
Im Tal von Flamengos befindet sich der einzige
Botanische Garten der Azoren. Hier auf 8000m2 Fläche werden endemische Pflanzen
vorgestellt und gefährdete Gewächse gezüchtet. Wir erfahren, dass es über 70
Arten gibt, welche nur auf den Azoren vorkommen. Die überall wuchernden
Hortensien, die als Wahrzeichen der Inseln gelten, wurden jedoch gegen Ende des
19. Jahrhunderts aus Asien eingeführt und stellen in heutiger Zeit eine große
Bedrohung für die einheimische Flora dar.
Pico
Für den nächsten Tag haben wir einen Ausflug
auf die nur 6 km entfernte Nachbarinsel Pico geplant.
Sie ist mit 448km2 die Zweitgrößte des
Archipels und beherbergt etwa 15.000 Einwohner.
Beherrscht wird Pico vom
majestätischen gleichnamigen Berg. Der 2351 Meter hohe Vulkan ist somit die
höchste Erhebung Portugals. Meistens versteckt er sich hinter einer dicken
Wolkenschicht, dann sind nur noch die steilen Flanken zu erkennen.
Er ist nach
wie vor aktiv und wird daher genauestens überwacht.
on seiner - vor allem in
der Vergangenheit - regen Aktivität zeugen die schwarzen Lavaböden, die zahlreichen
Höhlen und die runden Kraterseen im Inselinneren.
Auch heute noch werden die schwarzen
Lavabrocken als Baumaterial für die Häuser verwendet.
Eine Personenfähre bringt uns in einer halben
Stunde nach Madalena, der größten Stadt der Insel. Dort angekommen besorgen wir
uns gleich ein Mietauto und versuchen, wenigstens einen kleinen Teil der
landschaftlich wunderschönen Insel zu erhaschen. Doch auch das umgebende Gewässer
ist interessant, denn Pico zählt zu den Hotspots für Walbeobachtungen.
Weinanbau
Wir starten unsere Rundfahrt zu Füßen des
mächtigen Picos und besuchen das berühmte Weinanbaugebiet der Insel. Es wurde
sogar von der UNESCO als Welterbe anerkannt. Die Rebflächen werden durch Mauern
aus Lavagestein abgetrennt, welche die Weinstöcke vor Wind und salziger Gischt schützen,
zudem auch die Wärme besonders gut speichern. Da auf den kleinen Parzellen
keine Maschinen verwendet werden können, werden die Reben hier in mühevoller
Handarbeit kultiviert. Beispielsweise wird jede einzelne reifende Traube auf
einen flachen Stein gelegt. Die ersten Pflanzen wurden schon bei der Besiedlung
1460 angebaut. Einst wurde der edle Tropfen sogar bis nach Russland exportiert.
Inselinneres
Der Bilderbuchvulkan Pico beherrscht den
Südwesten der Insel. Daran vorbei führt eine Höhenstraße ins einsame,
unbewohnte Inselinnere.
Das Hochland ist geprägt von zahlreichen Seen, die sich
zwischen dunkelgrünen Kraterhügeln verlieren.
Natürlich grasen auch hier
Rinder, die gerne mitten auf der Straße innehalten und sich nicht so schnell aus
der Ruhe bringen lassen. Aber so eine Pause mitten im menschenleeren Hochland -
mit sagenhafter Aussicht auf das tiefblaue Meer - ist schließlich nie verkehrt.
Das Glück ist perfekt, als ich sogar noch ein vierblättriges Kleeblatt finde.
Küste
Schließlich geht es zurück an die Küste. Hier
treffen wir wieder auf die inselumrundende Straße, die uns vorbei an einigen
Dörfern und Aussichtspunkten retour nach Madalena bringt.
Vorher stoppen wir jedoch noch im Nordwesten,
wo wir einen Spaziergang durch eine bizarre, schwarze Lavawüste unternehmen.
Felsbögen, Lavagräben und tiefe Spalten erstrecken sich bis hin zum Meer, das
mit Urgewalt gegen die Klippen brandet. Nur zögerlich bricht zartes Grün zwischen
den scharfkantigen Brocken hervor.
Friedlicher gestaltet sich unsere Rückfahrt
auf Faial. Im warmen Abendlicht leuchten die Häuser Hortas besonders einladend,
was uns ein wenig vergessen lässt, dass wir für das wunderschöne Pico leider
nur einen Tag Zeit hatten.
Weniger erfreut sind wir über den Strafzettel,
den wir auf der Windschutzscheibe des am Hafen geparkten Mietautos vorfinden. Auf
der nahe gelegenen Tankstelle erfragen wir daher den Weg zur nächsten Polizeistation.
Wieder sind wir froh, dass hier Jeder Englisch spricht. Nach einigen Umwegen haben
wir schließlich das Gebäude gefunden und begleichen die Strafe wegen
Falschparkens. Für den diensthabenden Polizisten sind wir eine angenehme
Abwechslung. Er gibt zu, dass die Kennzeichnung im Hafengelände äußerst
schlecht ist und auch viele Einheimische nicht wissen, wo genau geparkt werden
darf. Unser Sohn findet das Präsidium jedenfalls sehr interessant und würde am
Liebsten das Gefängnis sehen. Soweit kommt es natürlich nicht, im Gegenteil,
wir erhalten sogar noch einige Reisetipps.
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