Sao Jorge
Am nächsten Morgen brechen wir zur Insel Sao
Jorge auf, die etwa 40 Kilometer Luftlinie entfernt liegt. Die Morgenfähre
bringt uns in nicht einmal 2 Stunden zur Hauptstadt Velas.
Dabei passieren wir
einen absolut wolkenlosen, majestätischen Pico. Wir können unser Glück kaum
fassen, denn laut dem gesprächigen Polizisten von gestern Abend soll sich der
Berg mehr als 300 Tage im Jahr hinter Nebelschwaden verstecken.
Unzählige Fotos
später wenden wir unseren Blick nach Backboard und bekommen so einen ersten
Eindruck von der lang gezogenen Insel Sao Jorge. Sie hat eine Fläche von 245 Quadratkilometern,
ist 54 Kilometer lang, aber maximal 7 Kilometer breit. Die Insel ist sehr gebirgig
und die Klippen fallen schroff ins Meer.
Darunter befinden sind über 40
"Fajas" (es ist beinahe unmöglich dieses Wort als Nicht-Portugiese korrekt
auszusprechen) - flache Landzungen am Fuß der Steilküste.
Entstanden sind sie durch Lava, welches auf
dem Weg ins Meer erstarrte oder durch Hangrutsche und Erdbeben. Durch das
spezielle Mikroklima und den fruchtbaren Vulkanboden gedeihen auf den
Küstenebenen sogar tropische Früchte wie Bananen, Feigen oder Mangos. Sogar
Kaffe und Tabak wird hier angebaut.
Auf einigen der Fajas befinden sich kleine
Siedlungen, die früher nur durch Fußwege erreichbar waren. In heutiger Zeit
schlängeln sich abenteuerliche Serpentinenstraßen in die Tiefe.
Im Hochland wiederum wird wie auf den anderen
Inseln Viehzucht betrieben. Den 9.000 Einwohnern stehen genau so viele Rinder
gegenüber. Sao Jorge gilt als Insel des Käses. Er wird seit dem 15. Jh.
hergestellt und zeichnet sich durch seinen würzigen Geschmack aus.
Velas
Auch die Inselhauptstadt Velas mit ihren 2000
Einwohnern befindet sich am Fuß des mächtigen Bergrückens. Von oben wirken die
weißen Häuschen mit ihren roten Dächern wie eine Spielzeug Siedlung.
In der
Altstadt angekommen, unternehmen wir einen kleinen Spaziergang durch die
blitzblanken Gassen mit ihren schönen Pflastersteinen. Großartige
Sehenswürdigkeiten gibt es hier nicht, doch es macht Spaß, durch die Straßen zu
schlendern und die hübschen Bauwerke zu bewundern.
Hochland
Wie schon erwähnt ragt Sao Jorge wie ein
Drachenrücken aus dem Meer. Vielleicht wurde die Insel deshalb nach dem
Heiligen Georg, dem Drachentöter benannt?
Die gewaltigen Steilküsten im Norden und Süden
erreichen eine Seehöhe von über 1000 Meter.
Im Inselinneren gibt es kaum
Siedlungen und viele Straßen sind nicht geteert. Aufgrund der herben Schönheit
der Landschaft gilt das Hochland als Paradies für Wanderer. Weitreichende
Ausblicke nach Terceira und Pico üben zusätzlichen Reiz aus.
Es ist wohl kaum mehr möglich, aber hier
erreicht das Wort "Einsamkeit" tatsächlich eine neue Steigerung. Wir
marschieren durch blühende Wiesen, rechts und links säumen Hortensienhecken den
schmalen Pfad. Weit unter uns schimmert das Meer in den verschiedensten
Blautönen. Wir lassen uns einfach treiben, als uns unerwartet ein Pärchen
entgegen kommt. Freudestrahlend erklären sie uns, dass sie froh sind, nach mehr
als 5 Stunden endlich auf Jemanden zu treffen! Wir legen nun ein Stück des
Weges gemeinsam zurück, bevor wir weiter nach Westen fahren.
Westen
Am äußersten Zipfel der Insel wird die
Landschaft lieblicher. Die Hügel fallen flacher ins Meer und die Region galt
lange Zeit als Kornkammer der Insel.
Am westlichsten Punkt, dem "Ponta dos
Rosais" stehen die Reste eines Leuchtturms, der wegen Einsturzgefahr
leider nicht betreten werden darf.
In unmittelbarer Umgebung befindet sich der
wunderschöne Park "Parque Florestral Sete Fontes". Die 12 Hektar
große Anlage mit Zedernwäldern, Blumen, Baumfarnen und Bächen erfreut jeden
Naturliebhaber. Auch unser Sohn kommt auf seine Kosten, denn bei diesem Picknickplatz
gibt es Hirsche, Schweine, Enten und Kaninchen zu füttern.
Poca de Simao Dias
Zu den schönsten Badeplätzen Sao Jorges zählt
zweifellos das natürliche Becken "Poca de Simao Dias".
Inmitten von eindrucksvollen Lavaformationen
führt eine Leiter hinunter ins glasklare Wasser.
Die Bucht ist rundherum von Felsen umgeben,
daher gibt es nahezu keine Wellen. Auch Quallen können die natürliche Barriere
nur bei sehr starkem Seegang überwinden. Leider ist das Wasser ziemlich kalt.
Osten
Nach diesem erfrischenden Bad führt uns die einzige
Straße weiter in Richtung Osten- immer dem Bergrücken entlang. Tief unter uns
befinden sich einige Fajas. Viele davon wurden in den letzten Jahrzehnten
verlassen, denn nicht in alle Fajas führen Straßen. Manche sind nur mit dem
Boot erreichbar bzw. über abenteuerliche Pfade.
Faja dos Cubres
Eine der fotogensten Landzungen ist zweifellos
die Faja dos Cubres mit ihrem See. Diese ist durch eine natürliche
Geröllbarriere vom Meer getrennt und ein bedeutender Vögelbrutplatz.
Hier wohnen noch einige Dutzend Menschen,
sogar ein Cafe gibt es im Ort neben der leider verschlossenen Kirche.
Ein kurzer Spaziergang führt uns rund um den See
mit seinen kleinen Inselchen und den lautstark krächzenden Seevögeln.
Am Ende
der Bucht wird es schließlich wieder ruhiger. Hier beginnt ein 5 Kilometer
langer Wanderweg zur benachbarten Fajã da Caldeira do Santo Cristo, auf der
ebenfalls ein See liegt, in dem Miesmuscheln gezüchtet werden
Auch im Inselosten gibt es ein
Erholungsgebiet, den Parque da Silveira. Baumhohe Farne, duftende Blumen und
einige alte Wassermühlen säumen das Wegenetz durch den Park. Natürlich dürfen
auch Grillmöglichkeiten und ein Kinderspielplatz nicht fehlen. Neugierig werden
wir von zwei Straußen beäugt, die ihr Gehege gleich neben der Kinderschaukel
haben.
An der Ostspitze der Insel befindet sich der
beschauliche Ort Topo mit seinem gleichnamigen Leuchtturm. Seit 1927 ist er in
Betrieb und blickt seitdem auf das unbewohnte Inselchen Ilheu do Topo, das als
Naturschutzgebiet ausgewiesen wurde.
Besonders interessant sind die rostroten,
senkrechten Felsen, die den Hafen wie eine Mauer umgeben.
Bootsfahrt
Am unserem letzten Tag auf Sao Jorge mieten
wir uns ein Motorboot und fahren mehrere Stunden entlang der Südküste. Auch vom
Wasser aus bietet die Insel eine überwältigende Naturkulisse.
Senkrechte, zerklüftete Felsen, Wasserhöhlen
und terrassenförmig angelegte Gärten wechseln einander ab. Selten wagen sich
die Siedlungen bis hinunter zur Wasserkante. Beeindruckend ist nicht nur die steile
Küstenlinie, sondern auch die Nebelbänke, die knapp über der Hochfläche
dahinziehen. Minutenlang hüllen sie das Land wie das mystische Avalon ein, kurze
Zeit später bahnt sich wiederum die Sonne ihren Weg durch den grauen Nebelschleier.
Viel zu bald müssen wir wieder umkehren. Auf
dem Rückweg in die Inselhauptstadt Velas begleitet uns sogar eine Gruppe von Delfinen.
Wir sind überwältigt, die Tiere so nahe in ihrer natürlichen Umgebung
beobachten zu können. Lange Zeit schwimmen sie neben, unter und vor uns, bevor
sie wieder in der Tiefe des Atlantiks verschwinden.